Es gibt zu viele Apotheken!

Gepostet von am Okt 11, 2011 in Allgemein | 5 Kommentare

Es gibt zu viele Apotheken!

„Es gibt zu viele Apotheken!“ ist die einhellige Meinung „des Volkes“, wenn das Gespräch auf die Anzahl der Apotheken kommt. Und tatsächlich kann man in manchen Innenstädten das Gefühl bekommen, dass eine Apotheke ein Bombenreibach ist.

Was mache ich nun? Akzeptiere ich das, was „jeder weiß“? Nehme ich die Meinung an? Oder hinterfrage ich das Ganze mal?

Nach einer kurzen Überlegung müsste – ganz ohne Recherche – ein Gedanke kommen: Wo sind die Apothekenwarenhäuser? Welche Apotheke geht über zigtausende Quadratmeter Fläche und hat hunderte Angestellte? Stellen wir uns nur mal in der Kaufingerstraße vor, die Firma Hirmer (Herrenausstatter auf 7000qm) müsste auf viele kleine Geschäfte á 150qm (so groß ist eine Apotheke) umgetopft werden. Dann wären nur in der Kaufingerstraße auf einmal 46 Hirmers. Hirmer baut gerade auf 10.000 qm um. Das würde dann insgesamt 67 Hirmers auf nur 1km Kaufingerstraße bedeuten.

Zwischenfazit: Aus der Anzahl der Apotheken auf „zu viel“ zu schließen ist subintelligent. Denken mit Hilfe des „gesunden Menschenverstandes“ ist nötig. Eine Gabe, die den Panorama/Report-„Journalisten“ übrigens noch erschlossen werden muss. Anders ist der Satz „…alleine an der xyz-Straße in Düsseldorf gibt es 23 Apotheken.“ nicht zu verstehen. Denn die im Bericht genannte Straße ist (IIRC, ist schon etwas her) knapp 6km lang und geht quer durch dicht bewohntes Innenstadtgebiet.

Wenn wir nur mit zwei Synapsen und drei Minuten nachdenken zu einer schlüssigen Antwort kommen, wie weit kommen wir mit etwas Recherche?

Ein kurzer Blick zum statistischen Bundesamt. Nach einer 17-sekündigen Recherche (so viel Zeit ist in den Redaktionen Deutschlands einfach nicht) finden wir eine Broschüre zum Thema.

Suchen wir zunächst mal raus, wie viele Apotheken das Land besetzen und im Würgegriff halten. Aha, 2010 waren es rund 21.400 Apotheken, die rund 150.000 Menschen direkt beschäftigen – die allermeisten davon Frauen.

Also Vergleichen wir das mal mit der Handwerkszählung 2008. Der ebenfalls gerne medienwirksam postulierte Glaubenssatz „Es gibt mehr Apotheken als Bäckereien“ stimmt nämlich nur, wenn man die Großbäckereien (z.B. Kamps mit rund 650 Filialen) als eine einzige Bäckerei zählt. Ähnlich sinnvoll, wie den FC Bayern München als „ein einziger Fußballer“ zu bezeichnen, aber so wird nun mal gezählt.

Nun kucken wir mal…

Aha, Seite 8.

Es gibt also ungefähr genauso viele Metallbauer wie Apotheken. Wer hat noch nicht den Satz gehört: „Was, schon achtzehn Uhr? Hoffentlich sperrt mir der Metallbauer nicht die Tür vor der Nase zu!“

In der Zeile A20 sehen wir, dass es rund 47.000 Werkstätten mit 500.000 Angestellten gibt. Es stellt sich nun schon die Frage, ob der statistisch erfasste Deutsche wohl doppelt so oft in die Autowerkstatt wie in die Apotheke geht? Wenn die alle einen Touareg fahren, dann kommt das hin.

Maler

Es gibt rund 200.000 Angestellte Maler in 37.000 Malerbetrieben, rund 300.000 Heizungsbauer in 45.000 Betrieben und 400.000 Elektrotechniker in 50.000 Betrieben. Holen Sie sich öfter ein Medikament als Sie sich etwas lackieren, installieren oder elektrifizieren lassen? Ich denke schon.

Die Frage ist also eher: Wie schaffen wir es mit nur 21.400 Apotheken eine flächendeckende Rund-um-die Uhrversorgung hinzubekommen? Schlagen Sie doch einfach dem Installateur Ihres Vertrauens vor, er möge mit seinen Kollegen einen 24/7-Notdienst organisieren, bei welchem der Kunde maximal 15km entfernt wohnen darf. Geld bekommt er dafür nicht – er darf aber pro Einsatz 2,50€ auf die Rechnung aufschlagen. Treten Sie im Anschluss ein paar Schritte zurück (falls der Installateur gerade ein Eisenrohr in der Hand haben sollte).

Und exakt so ist es bei der Recherche nach lukrativen Firmen. Verlassen Sie sich nicht auf vorgekaute Analysen in FocusMoney oder BörseOnline. Lesen Sie die Zeitschriften, Ihr finanzieller IQ wird es Ihnen danken, aber wenn Sie eine werthaltige Firma gefunden haben, machen Sie die Analyse selbst.

Niemand nimmt Ihnen für 3,50€ im Monat diese Arbeit ab. Verlassen Sie sich vor allem bei der Bestimmung des Burggrabens nicht auf die Meinung anderer. Vernetzen Sie sich mit Menschen, die Ihren Investmentstil teilen. Lernen Sie sich kennen. Lernen Sie die anderen einzuschätzen. Hinterfragen Sie die Meinung der anderen. Wenn Sie sich dann kennen, können Sie den anderen dann irgendwann mal „blind“ vertrauen.

Es gibt nur einen gesicherten Fakt: Sie haben das Zeug dazu, ein großartiger Investor zu werden. Trauen Sie sich und fangen Sie an. JETZT.

5 Kommentare

  1. Das sollte als Pflichtlektüre an alle Redaktionen gehen. Super Zusammenfassung eines an sich nicht komplizierten Sachverhalts, den aber anscheinend niemand verstehen will..

  2. Toll! Vielen Dank dafür, dass eine nicht-Apotheken-nahe Website die reinen Fakten veröffentlicht.

    Als Apotheker kann man hin und wieder das Gefühl bekommen, man müsste sich schämen müssen dafür, diesen verruchten Beruf ergriffen zu haben.

  3. Handwerklich ausgedrückt: den Nagel auf dem Kopf getroffen!

  4. Laut statistischem Jahrbuch Gesamtumsatz der Apotheken 40.862 Millionen EUR in 2010. Macht durchschnittlich 1,9 Mio. pro Apotheke. Da wäre mancher Handwerker froh, wenn er 10% davon hätte…

    Und ein Handwerker muss für jeden Euro Umsatz in aller Regel mehr tun als nur eine Schachtel raussuchen und über den Tresen reichen.

    Insofern ist der Artikel eine nett gemachte Polemik ohne sittlichen Nährwert.

  5. Vielen Dank für Ihren Kommentar!

    Ich gebe zu bedenken: http://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2011/24_ZDF_2011.pdf ,dass der Wareneinsatz der Apotheke bei ca. 80,7% liegt und somit ca. 19% zur Kostendeckung und Gewinnerzielung bereit liegt. Wir haben seit 2004 eine „Lohnsteigerung“ für den Apotheker von rund 3%,
    wogegen die anderen Kostenbereiche an die 20% gewachsen sind „http://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2011/10_ZDF_2011.pdf“ . Die Lohnkosten gelten als „gesund“, wenn 12% nicht überstiegen werden. Bleiben 7% für alle Kosten wie Miete, Ausstattung, ein Stapel Apotheken-Umschau (ja, die zahlt der Apotheker), Fortbildung, Krankenkasse, Altersvorsorge, Kammerbeitrag, Rückstellungen usw. usf.

    Bis auf wenige Ausnahmen abgesehen, verdient ein deutscher Apothekeninhaber (umgerechnet auf ein Angestelltenverhältnis) einen Bruttolohn von 2500-3500 €. Ich denke der Großteil der Handwerksbetriebsinhaber hat mehr.

    Ein weiterer Unterschied ist die Kalkulation. Vorgeschriebener Einkaufspreis, vorgeschriebener Aufschlag, vorgeschriebener VK. Einen Kostendeckungsbeitrag gibt es nicht.
    Und auch noch wichtig: Persönliche Vollhaftung. Kein „verstecken (im Sinne von „begrenzen“)“ unter einer GmbH. Persönliche Vollhaftung für jedes abgegebene Medikament ohne Limitierung in Zeit oder Höhe.
    Ein Handwerksbetrieb haftet mWn 5 Jahre für Gewerke. Wie müsste kalkuliert werden, wenn ein Meister für alles, was er und seine MA gefertigt haben, für den Rest des Lebens die Haftung übernehmen müsste, OHNE diese begrenzen zu können?

    Es geht eben NICHT um ein „Schachtelrüberreichen“. Es geht darum, jemanden zu haben, der mich vor falschen Verordnungen schützt und schon alleine aus Eigeninteresse ein maximales Interesse daran hat, Sie fehlerfrei zu behandeln.

    Edit: Die Links werden rausgeschmissen. Als Text eingefügt.